Jugendliche, die ihre Zöliakiediagnose aus der frühen Kindheit infrage stellen, oder neudiagnostizierte Teenager,
die keinen Sinn und wenig Lust für eine Ernährungsumstellung aufbringen:
Enährungsberaterin Susana Fernandez erklärt, wie sie mit «Gluten Challenges» und «Gluten Free Challenges» die Jugendlichen ins Boot holen kann.
INTERVIEW: VIVIEN WASSERMANN
Susana, wie gehst du mit Jugendlichen um, die sich schwer tun, auf glutenfreie Ernährung umzusteigen?
Das ist spannend, denn gerade bei Jugendlichen mit Neudiagnosen stehen oft die Eltern voll dahinter und die Teenager finden es uncool.
Da ist es wichtig, die jungen Patienten persönlich abzuholen. Besonders schwierig ist es, wenn sie kaum Symptome zeigen, also keinen Leidensweg hinter sich haben.
Dann schaue ich mit ihnen, welches die anderen Symptome hinter der Zöliakie sein können, die sie vielleicht bislang gar nicht im Zusammenhang mit der Zöliakie gesehen hatten, die aber begründen, weshalb man die glutenfreie Ernährung einhalten sollte.
Zum Beispiel Konzentrationsprobleme in der Schule oder Müdigkeit.
Wie kannst du ihnen beweisen, dass die Konzentrationsprobleme tatsächlich mit dem Gluten zu tun haben?
Ich versuche in dem Fall eine Art glutenfreie Challenge mit den Teenagern zu machen.
Wie läuft die Challenge ab?
Ich sage dem Teenager: Versuche die glutenfreie Diät drei Monate durchzuhalten und danach kommst du zur Antikörperkontrolle. Sodass wir die Diät erst einmal zeitlich eingrenzen können und sich noch nicht wie für immer anfühlt.
Vielleicht ändert sich etwas und der oder die Jugendliche merkt körperliche Verbesserungen. Zum Beispiel, dass es in der Schule oder Lehre besser geht.
Nach drei Monaten schauen wir dies an und die Teenager hatten Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Dann merken sie vielleicht, dass es gar nicht so schlimm ist, sich glutenfrei zu ernähren.
Zudem versuche ich, zwischen Jugendlichen zu vermitteln, sodass sie einen Austausch haben. Ich möchte ihnen aufzeigen, dass es auch andere Leute gibt, die das haben.
Manchmal gibt es auch nach einem halben oder ganzen Jahr kaum eine Verbesserung der Blutwerte. Wie gehst du hier bei einer Follow-up-Beratung vor?
Nach einem halben Jahr würde ich dem nicht zu viel Bedeutung beimessen. Auch nach einem Jahr kann es immer noch leicht erhöhte Antikörper geben. Das werten wir nicht als sehr schlecht.
Für uns ist die Tendenz wichtig, dass die Antikörper abnehmen. Unser Labor hört bei 128U/ml auf, Antikörper zu bestimmen, wir wissen nicht, wie hoch sie vorher waren. In über 90 Prozent gehen die Antikörper nach drei Monaten runter.
«Wenn du das Gefühl hast, dass die Zöliakie nicht mehr da ist, können wir eine Gluten-Challenge machen.»
Das ist für mich genug. Wenn sie nach einem Jahr immer noch erhöht sind, aber der Patient beteuert, alles zu machen, suchen wir gemeinsam nach Möglichkeiten unbewusster Gluteneinnahme, zum Beispiel im Kaugummi oder im Eistee.
Und wenn du merkst, dass der Patient dich anflunkert?
Ich versuche nie, meine Patienten zu etwas zu zwingen. Ich vertraue ihnen und spüre, ob sie es ernst meinen oder nicht. Wenn ich merke, dass der Patient es nicht ernstnimmt, möchte ich nicht mit dem Finger auf ihn zeigen und sagen, du machst das schlecht.
Mir ist es allerdings lieber, wenn die Patienten von selbst zu mir kommen. Wenn sie mir sagen, sie hätten ein Brötli probiert, keine Beschwerden dabei gehabt und entsprechend ihre Zöliakiediagnose infrage stellen, kann ich nachvollziehen, dass manche keine Lust mehr auf die strikte glutenfreie Diät haben.
Wie gehst du dann vor?
Wir schauen gemeinsam zurück an den Zeitpunkt der Diagnose. Ich zeige ihnen auf, dass damals eine eindeutige Biopsie vorlag oder entsprechend hohe Antikörper, falls keine Biopsie entnommen wurde.
Dann mache ich dem Teenager ein Angebot: Wenn du das Gefühl hast, dass die Zöliakie nicht mehr da ist, können wir eine Gluten-Challenge machen. Wir testen die Antikörper am Tag Null, sie müssen negativ sein.
Dann beginnst du, Gluten zu essen, und nach drei Monaten checken wir die Antikörper erneut.
«Die jungen Leute haben ein Anrecht zu erfahren, ob das, was sie ihr ganzes Leben machen, wirklich stimmt.»
Die Gluten-Challenges dienen dazu, den Patienten aufzuzeigen, dass die Diagnose, die sie im frühen Kindesalter bekommen haben, immer noch da ist. Ich finde, die jungen Leute haben ein Anrecht zu erfahren, ob das, was sie ihr ganzes Leben machen, wirklich stimmt.
Ist solch eine Belastung mit Gluten medizinisch überhaupt vertretbar, ohne dass die Jugendlichen Schaden nehmen?
Eine Glutenbelastung ist zeitlich begrenzt und sollte selbstverständlich nicht bei einer 13-Jährigen gemacht werden. Generell führen wir dies erst nach dem Pubertätsabschluss durch, also wenn das Wachstum abgeschlossen ist, ungefähr mit 16 oder 17 Jahren.
Auch wenn der Teenager gerade Prüfungsstress hat oder sich an einem wichtigen Punkt in der Lehre befindet, sollte man dies sicher abwarten.
Erschienen im Magazin „SENZA“ der IG Zöliakie (Ausgabe 2/2023)